Weihnachtsmärchen # 01
Die Polarmütze
Ping watschelte allein über das große Eisfeld und blieb hin und wieder stehen, um sich die vielen funkelnden Sterne des Polarhimmels anzusehen. Er war nachts gern allein unterwegs, so konnte er Ruhe seinen Gedanken nachhängen, ohne das die komplette Kolonie ihm etwas vorschnatterte. An einer besonders schönen Stelle einer Eisklippe blickte er über das Meer zu der Stelle, wo sich Meer und Himmel berühren. Der große runde Vollmond warf sein mildes Licht über die Eisfläche und spiegelte sich in einer langen Spur auf dem Wasser. Ping seufzte: „Uiii, ist dasch schön! Schade, dasch die anderen dasch nicht sehen können!“ Tief in Gedanken versunken, hörte er plötzlich ungewöhnliche Geräusche. Nie im Leben hätte er so Zartklingendes gehört. Verblüfft schaute er umher, konnte aber nichts entdecken. Mit einem rasanten „hui und wusch“, sauste etwas von hinten über ihn hinweg und verschwand mit einer goldenen Leuchtspur und fröhlichem Geläute am Horizont. Fast riss ihn der Sog von den Watschelfüßen. Ping schüttelte sich: „Wasch war dasch denn nun?“, fragte er sich. Alles war wieder still wie zuvor und nichts deutet mehr auf sein ungewöhnliches Erlebnis hin. „Na, so wasch!“ empörte er sich. Ping hatte einen kleinen Spachfehler, immer wenn ein „s“ am Ende oder in der Mitte eines Wortes stand, klang es bei ihm wie ein SCH, manchmal machten sich die anderen Pinguine darüber lustig, aber das war ihm egal. Dafür war er der allerbeste Klippenspringer der ganzen Kolonie. Niemand konnte so elegant von der großen Eisklippe springen wie er oder so schnell auf dem Bauch den Eisberg hinabrutschen.
Ping wunderte sich noch ein wenig und beschloss dann wieder zu den anderen zurückzukehren, um von seinem Erlebnis zu berichten. Als er sich umdrehte sah er etwas auf dem Eis liegen. Im sanften Mondlicht leuchtet es rot. Er lief hin und stand erstaunt vor dem roten seltsamen Ding. Vorsichtig hob er es auf. Es war so ganz anders als alles was er bis dahin gesehen hatte. Es war weich wie frisch gefallener Pulverschee und es sah ein bisschen aus wie leichter flockiger Schnee, aber das kräftige Rot dominierte das Ding. Er wusste nicht so recht was er damit anfangen sollte und so schnappte er es mit dem Schnabel und beschloss es mitzunehmen. Aber je länger er watschelte, um so schwerer wurde ihm das Ding im Schnabel. Er versuchte es besser zu fassen und schleuderte es einige mal hin und her, damit es eine bessere Balance im Schnabel hatte. Plötzlich rutschte es ihm aus dem Schabel, flog ein Stück in die Luft und landete genau auf seinem Kopf. Ping schüttelte sich ein wenig, um es wieder loszuwerden, aber es hatte sich weich und kuschelig um seinen Kopf gelegt und fühlte sich schön warm an. „Also gut du blödesch Ding, wenn du da sitzen willscht, soll mir dasch egal sein, trag ich dich eben so!“ Ping nahm seine Wanderung wieder auf und beließ das Ding wo es war. Mit der Zeit gefiel es ihm immer mehr, denn es war flauschig, schmiegte sich eng an den Kopf und wippte bei jedem Schritt lustig auf und ab. Als die Pinguine ihn kommen sahen, wunderten sie sich nicht schlecht. Was war das da, dass er von seinem nächtlichen Ausflug mitbrachte? Einige bestaunten ihn und andere lachten sich halb weg, weil sie Ping mit dem Ding so komisch fanden.
„Hey, Ping, was hast du denn für einen komischen Fisch gefangen?“, gröhlte der größte und stärkste Pinguin. „Sowas hab ich ja noch nie gesehen. Gibt es da noch mehr von? Hahah, hihihi!“ Er hielt sich den Bauch vor lauter Lachen. Inzwischen waren alle neugierig herangekommen, um sich das außergwöhnliche Ding aus der Nähe anzusehen.
„Hahah, hohoho!“ grummelte Ping und äffte die anderen nach. Er fand es albern wie sich aufführten. Als sich alle ein wenig berührt hatten und das Geschnatter und Gekicher nachließ, erzählte wie er es gefunden hatte. Die Anderen schauten etwas seltsam, als würde sie ihm nicht recht glauben, aber das Ding war nun mal da und irgendwo musste es hergekommen sein. Ping gefiel es jedenfalls sehr gut und er beschloss es zu behalten, sollten die anderen doch denken was sie wollten. „Ich behalte dasch Ding, aber ich kann esch euch ja mal ausleihen!“
„Nein, danke schön!“ lehnten die anderen Pinguine ab, es reicht wenn hier einer spinnt!“ Damit ließen sie Ping mit dem Ding stehen und begaben sich im Morgengrauen ins Meer zum ersten Fischfang des Tages.
„Na gut, dann eben nicht!“ dachte Ping und schlief ein Weilchen, der Ausflug hatte ihn ein bisschen müde gemacht. Immer wenn Ping nun zwischen all den anderen Pinguinen stand, leuchtete er schon von weitem wie ein Leuchtturm. Das rote Ding auf seinem Kopf hob sich vom weißen Schnee deutlich ab. Als er wieder einmal an der Klippe stand und den Anderen beim Fischfang zusah, tauchte eine Robbe neben ihm auf.
„Du bist ein komischer Vogel!“, sagte sie.
„Wieso?“ fragte Ping.
„Na, wegen der Nikolausmütze!“
„Nikolauschmütsche? Wasch ist dasch denn?“
„Das Ding, was du auf deinem Kopf hast!“
“Dasch ist eine Nikolauschmütsche? Aber was ist dasch, eine Nikolauschmütsche?“ Ping war ganz aufgeregt, scheinbar wusste die Robbe etwas über das rote Ding. Tatsächlich war sie weit herumgekommen, hatte viel gehört und gesehen und erzählte Ping vom Nikolaus, der mit seinem Schlitten einmal im Jahr um die Welt fährt, um die Menschen zu beschenken. Sie erzählte vom voll beladenen Schlitten, der von acht Rentieren gezogen wurde, vom leisen Klang der Glöckchen, die so wunderbar läuteten und von der Weihnachtsmütze, die zum Nikolaus dazugehört, wie das Eis zum Süd- und zum Nordpol. Ping erzählte der Robbe darauf von seinem nächtlichen Erlebnis. Sie freute sich für Ping und klatschte ganz aufgeregt mit den Flossen: „Dann ist dir der Nikolaus begegnet, du hast ihn gesehen. Nur ganz wenigen ist es bisher gelungen ihn zu Gesicht zu bekommen. Bestimmt hat er bei der wilden Fahrt über den Himmel seine Mütze verloren und du hast sie gefunden!“
„Uiii!“ staunte Ping, dem es für einen Augenblick die Sprache verschlagen hatte. „Aber was macht der Nikolausch nun ohne seine Mütsche?“ fragte er besorgt.
„Bestimmt hat er eine zweite!“ vermutete die Robbe. „Sonst wäre er umgekehrt und hätte sie gesucht. Vielleicht wollte er sie dir aber auch schenken.“
„Ein Geschenk? Für mich? Vom Nikolausch?“ Ping zweifelte ein wenig.
„Kann doch sein! Bestimmt hat er dich allein in der Nacht stehen sehen und wollte dir eine Freude machen!“ meinte die Robbe. Ping dachte eine Weile darüber nach. So unglaublich war das gar nicht, wenn es den Nikolaus gab und er ihn gesehen hatte, warum sollte dann nicht auch das mit dem Geschenk möglich sein.
„Dasch muscht du den anderen erzählen, mir glauben sie dasch beschtimmt nicht!“ wünschte sich Ping von der weitgereisten Robbe. Die sagte gern zu und so standen sie am Abend alle zusammen und lauschten den Worten der Robbe, die noch einmal alles vom Nikolaus, den Menschen und dem Weihnachtsfest erzählte was sie darüber wusste. Als sie geendet hatte, ging die Sonne gerade am Horizont unter. Ping freute sich auf den leuchtenden Sternenhimmel, denn jetzt wusste er, dass er nicht allein zu den Sternen hinauf schaute, denn jeder wollte einmal im Leben den Nikolaus am Himmel mit einem Rentierschlitten fliegen sehen. Die Mütze war Pings ganzer Stolz. Manchmal verlieh er sie auch, wenn jemand ihn darum bat sie einmal tragen zu dürfen. Niemand lachte mehr über Ping, jeder wusste, dass er etwas ganz besonderes erlebt hatte. Die Mütze, mit der er immer schon von weiten zu sehen war, war der Beweis dafür.
Erste Fassung von "Ping und das Mützending"
Nachtrag Dezember 2013:
"Die Polarmütze" wurde in überarbeiteter Form unter dem Titel "Ping und das Mützending" in der Anthologie "Das Weihnachtsfest im Märchenland" (net-Verlag) im November 2013 veröffentlicht.